Integration durch den Gesetzgeber blockiert.Warum motivierte Azubis nicht arbeiten dürfen

Er will arbeiten – das Gesetz sagt Nein
Ein Fall aus unserer täglichen Praxis zeigt erneut, wie gut gemeinte Fachkräftegewinnung durch bürokratische Regeln behindert wird – und wie einfach man mit gesundem Menschenverstand eine bessere Lösung schaffen könnte.

Ein motivierter Berufseinsteiger
Herr S. aus Afrika kam im Oktober 2024 nach Deutschland, um eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu beginnen. Er spricht Deutsch auf C1-Niveau, hat in seinem Heimatland Germanistik studiert und war dort als Deutschlehrer tätig. Die Pflege ist für ihn nicht nur eine berufliche Perspektive, sondern eine bewusste Entscheidung: Er will helfen, lernen, sich einbringen.

Ein Neuanfang mit Hindernissen
Nach interkulturellen Spannungen und mangelnder Unterstützung durch den ersten Ausbildungsbetrieb wurde Herr T.S. gekündigt. Mit unserer Unterstützung fand er zügig eine neue Ausbildungsstelle – bei einem engagierten Träger in Schleswig-Holstein. Die Ausbildung beginnt im Oktober 2025. So weit, so gut? Leider nicht ganz.

Arbeiten? Ja – aber nur 20 Stunden
Herr S. möchte die Wartezeit bis zur Ausbildung sinnvoll nutzen. Sein zukünftiger Arbeitgeber bietet ihm eine befristete Vollzeitanstellung in der Hauswirtschaft an – fair bezahlt, gut organisiert, sozial eingebunden. Doch laut § 16a AufenthG ist nur eine Nebentätigkeit mit maximal 20 Wochenstunden erlaubt.

Ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung wurde bereits abgelehnt. Die Argumentation: Das Gesetz lasse keine Vollzeitarbeit zu – selbst wenn sie eindeutig nicht mit der künftigen Ausbildung kollidiert.

Ein realistischer Blick auf die Ankunft in Deutschland
Was oft vergessen wird: Viele internationale Auszubildende nehmen für ihre Einreise nach Deutschland hohe Kosten in Kauf – sei es für Flugtickets, Sprachzertifikate, Botschaftsgebühren, Visaformalitäten, Übersetzungen oder die Kaution für eine Wohnung. Nicht selten verschulden sie sich dafür – mit dem klaren Ziel, hier in eine bessere berufliche Zukunft zu starten.

Eine frühe Einstiegsmöglichkeit durch eine befristete Vollzeittätigkeit würde nicht nur Integration fördern, sondern auch helfen, diese Schulden abzubauen und die wirtschaftliche Existenz zu stabilisieren – lange bevor das erste Ausbildungsgeld fließt.

Die eigentliche Frage
Warum sollte jemand, der motiviert ist, arbeiten möchte, einen Beitrag leisten und auf staatliche Leistungen verzichten kann, durch pauschale gesetzliche Beschränkungen ausgebremst werden?

Warum dürfen Menschen, die sich bereits in Deutschland befinden, oft monatelang nicht arbeiten, obwohl sie einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben?

Unser Vorschlag
Wir fordern die Möglichkeit, dass Auszubildende mit gesichertem Ausbildungsplatz bereits in den Monaten vor Beginn ihrer Ausbildung eine reguläre Tätigkeit im Unternehmen aufnehmen dürfen – unter der Bedingung, dass diese befristet ist und der Ausbildungsbetrieb dies explizit unterstützt.

Das wäre ein Gewinn für alle:
– Die Fachkraft kann sich integrieren, sich einleben und finanziell vorbereiten
– Das Unternehmen erhält dringend benötigte Hilfe
– Der Staat spart Sozialleistungen und stärkt die Integration durch Beschäftigung.

Integration beginnt nicht mit dem Ausbildungsstart
Wir hoffen, dass dieser Fall nicht nur aufmerksam macht, sondern auch Diskussionen anstößt – in der Politik, in den Behörden, in Unternehmen. Denn Integration beginnt nicht erst mit dem Start eines Ausbildungsverhältnisses. Sie beginnt mit dem ersten Tag, an dem jemand bereit ist, mitanzupacken.

Hans-Jürgen Schäfer
Netzwerk Arbeit e. V.