In den letzten Monaten haben wir mehrere Bewerber aus dem Ausland begleitet, die mit großer Ernsthaftigkeit, sehr guten Sprachkenntnissen, vollständigen Unterlagen und einem klaren Ziel den Weg zur Ausbildung in Deutschland gehen wollten – in der Pflege, einem Bereich mit nachgewiesenem Fachkräftemangel.
Alle Bewerber hatten Ausbildungsverträge vorliegen, die Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis war ausgefüllt, Berufsschulplätze zugesagt, in einzelnen Fällen sogar Fristverlängerungen durch Schule und Träger ermöglicht.
Und dennoch scheiterten die Verfahren – nicht an den Kandidaten, nicht an der Sprache, nicht an fehlenden Unterlagen. Sie scheiterten an der Weigerung der jeweiligen Unternehmen, eine formale Unterschrift unter einen rechtlich vorgeschriebenen Antrag zu leisten. Eine Unterschrift, die keinen Mehraufwand bedeutet hätte. Eine Unterschrift, die einen Ausbildungsbeginn ermöglicht hätte.
In einem besonders aktuellen Fall – bei einem großen evangelischen Krankenhaus – wurde dem Bewerber über Wochen signalisiert, er möge sich selbst um das Visum kümmern. Die Mitwirkung am beschleunigten Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG wurde abgelehnt – trotz vorheriger Kooperation, trotz vorliegender Vollmachten und trotz konkreter Unterstützung durch unsere Organisation. Begründung: „Das ist nicht unsere Praxis.“
Besonders bemerkenswert ist dabei: Die Ablehnung richtete sich unter anderem gegen ein Vollmachtsformular, das nicht von uns, sondern von der zuständigen Ausländerbehörde des Landes Rheinland-Pfalz stammt.
Ein rechtsgültiges, standardisiertes Dokument, das Teil des offiziellen Verfahrens ist – abgelehnt von einem Träger des öffentlichen Gesundheitswesens, der selbst täglich mit staatlichen Stellen zusammenarbeitet.
Wir möchten betonen: Es ist nicht unsere Absicht, einzelne Einrichtungen öffentlich zu kritisieren oder an den Pranger zu stellen. Aber wir halten es für notwendig, auf ein strukturelles Problem hinzuweisen, das sich bei mehreren Bewerbern wiederholt – oft gerade bei großen Trägern oder Institutionen, die sich nach außen sozial, christlich oder integrativ positionieren.
Es geht nicht um Schuld – es geht um Verantwortung.
Denn was hier passiert, hat Folgen:
- Ein Bewerber verliert nicht nur Zeit, sondern oft auch das Vertrauen in das System.
- Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt – und die Debatte um den Fachkräftemangel dreht sich weiter im Kreis.
- Und engagierte junge Menschen werden ausgebremst – nicht weil sie ungeeignet sind, sondern weil niemand bereit war, eine einfache Entscheidung mitzutragen.
Wir werden unsere Bewerber weiterhin begleiten. Wir geben niemanden auf – und wir versuchen, mit jedem Fall auch andere Arbeitgeber zu sensibilisieren.
Wer wirklich Teil der Lösung sein will, darf nicht im letzten Schritt abspringen.
Denn Integration beginnt nicht erst auf der Station oder im Pausenraum – sie beginnt mit einer Haltung.
➡️ Weitere interessante Informationen finden Sie in unserem Inhaltsverzeichnis.